Das Projekt: Vorgeschichte und Sachstand
Mit der Regionalisierung des SPNV und ersten erfolgreichen Reaktivierungen von Bahnstrecken wurde 1995/1996 auch die Strecke Wrist – Itzehoe bei Vorarbeiten für den ersten Landesweiter Nahverkehrsplan (LNVP) des Landes näher untersucht. Zum damaligen Zeitpunkt wurde zwar keine kurzfristige Umsetzung empfohlen, aber eine langfristige Option für die Reaktivierung gesehen. Um eine spätere Wiederinbetriebnahme nicht zu gefährden, nahmen DB Netz und das Land Schleswig-Holstein die Strecke in den Trassensicherungsvertrag auf.
Ein im Jahr 2000 erarbeitetes Gutachten bestätigte den volkswirtschaftlichen Nutzen einer Reaktivierung und war der Anlass dafür, die Strecke weiterhin im Trassensicherungsvertrag zu belassen, obwohl von örtlicher Seite eine Überbauung der Trasse gewünscht wurde. Bei der Neuverhandlung des Trassensicherungsvertrages im Jahr 2007 wurde allerdings der Abschnitt Itzehoe-Hohenlockstedt-Kellinghusen aus dem Vertrag genommen. Die Strecke Wrist – Kellinghusen blieb mit dem Verweis auf die relativ einfach mögliche Direktanbindung der Stadt Kellinghusen an die Metropolregion Hamburg im Vertrag enthalten
2010: die Reaktivierung wird konkreter
Konkret wurden die Überlegungen für eine Reaktivierung der Strecke ab 2010 im Zuge der Entwicklung von Angebotskonzeptionen für das neu auszuschreibende Netz Mitte (RE-Strecken Hamburg – Neumünster – Flensburg/Kiel und RB-Strecken Hamburg – Itzehoe/Neumünster). Analog zur Strecke Hamburg – Lübeck sollte auch die Strecke Hamburg – Kiel im Halbstundentakt bedient werden. Die Finanzierung der hierfür erforderlichen Verkehrsleistungen sollte einerseits über die Ausschreibungsgewinne möglich werden, andererseits aber auch über eine Optimierung der Angebotskonzeption auf den betroffenen Strecken. Dabei war die Kürzung des Laufweges der im nördlichen Abschnitt nur sehr schwach genutzten Regionalbahn Hamburg – Neumünster auf den Abschnitt Hamburg – Wrist ein zentraler Baustein.
Insgesamt konnten so jährlich ca. 190.000 Zug-km eingespart werden. Optional wurde im Ausschreibungsverfahren ein Endpunkt Kellinghusen (ca. 7.800 Einwohner) statt eines Endpunkts Wrist (ca. 2.400 Einwohner) berücksichtigt, um die Auslastung der Regionalbahn zu steigern. Da davon auszugehen ist, dass die neue Angebotskonzeption für die Strecke Elmshorn – Neumünster dauerhaft so bestehen wird, wäre damit eine langfristige Anbindung Kellinghusens an die Metropolregion Hamburg gegeben. Bei Realisierung der S4-West würde die Strecke durchgehende Verbindungen in die Hamburger City (Nutzung des Hamburger S-Bahntunnels) erhalten.
2012: Ministerium verkündet Reaktivierung
Die Ergebnisse der Ausschreibung Netz Mitte zeigten, dass die eingesparten Betriebskosten deutlich größer sind, als die Investitionskosten und die zusätzlichen jährlichen Betriebskosten für den Abschnitt Wrist – Kellinghusen. Daher verkündete das Verkehrsministerium am Rande der Pressekonferenz für das Netz Mitte am 11. April 2012 auch, dass die Strecke Wrist - Kellinghusen reaktiviert und künftig stündlich mit einer Regionalbahn Hamburg-Altona – Kellinghusen bedient werden würde.
Am 14. Juni 2012 wurden Details der zukünftigen Bahnanbindung bei einer Einwohner*innen-Versammlung in Kellinghusen bekannt gegeben. Im Nachgang hat sich die Ratsversammlung der Stadt Kellinghusen bereits am 20. Juni 2012 einstimmig für den Bahnanschluss ausgesprochen. Ein bereits im April beauftragtes Gutachten zur wiederherzustellenden Infrastruktur, das durch das Ingenieurbüro Contrack erarbeitet wurde, wurde im Oktober 2012 veröffentlicht. Es bestätigte die durch die LVS geschätzten Kosten für die Reaktivierung und Elektrifizierung der Bahnstrecke (Schätzung LVS: 7 Mio. €, Kostenermittlung Ingenieurbüro Contrack: 6,27 Mio. €).
Der Wiederaufbau der Strecke war für 2014/2015 angekündigt. Das Land und die NAH.SH GmbH stoppten die Planungen aber aufgrund der unsicheren Entwicklung der Regionalisierungsmittel im Jahr 2013. Nach der erfolgreichen Einigung der Länder mit dem Bund über die Höhe und Weiterentwickung der Regionalisierungsmittel wird die Umsetzung des Projektes wieder konkreter.
2017: Aufnahme der Ingenieurplanungen
Seit 2017 plant die DB Netz AG im Auftrag des Landes konkret die Reaktivierung der Bahnstrecke. Derzeit sind die Leistungsphasen 1 und 2 beauftragt. Folgende Gewerke werden u. a. geplant: Trassierung, konstruktiver Ingenieurbau, Bahnübergänge, Leit- und Sicherungstechnik und Bahnsteigbau. Ebenso werden Umweltauswirkungen ermittelt. Vermessungsarbeiten und Bodengutachten sind bereits weitgehend abgeschlossen. Die Ergebnisse der Vorplanung sollen bis Mitte 2018 vorliegen.
2021: Start der Entwurfsplanungen
Das Reaktivierungsprojekt für die Strecke Wrist – Kellinghusen musste zwischenzeitlich aufgrund von Finanzierungsproblemen pausieren. Nachdem diese ausgeräumt werden konnten, wurden nun die Planungen an der Strecke wieder aufgenommen. Die bereits im Jahr 2018 abgeschlossene Vorplanung wird nun weiter detailliert und konkretisiert, wobei sich auch geringfügige Anpassungen der damaligen Ergebnisse ergeben können.
Die Ergebnisse der Vorplanung sehen vor, eine eingleisige Strecke von Wrist (Gleis 3) nach Kellinghusen über den noch in Teilen vorhandenen Bahndamm bis zum stillgelegten Bahnhof Kellinghusen zu führen. Die Gleise sollen auf Höhe der westlichen Kante des Speichers des Landhandels Reimers enden und über einen Außenbahnsteig an die Innenstadt Kellinghusen angeschlossen werden. Das direkte Bahnhofsumfeld wird in enger Abstimmung zwischen allen Projektbeteiligten (NAH.SH, DB Netz AG, DB Station und Service) von der Stadt Kellinghusen geplant.
Für die Reaktivierung der Strecke sind umfangreiche, über die Vorplanung hinausgehende Untersuchungen notwendig. Ein wichtiger Punkt dabei ist die genauere Vermessung der ehemaligen Brücken sowie die Untersuchung der Tragfähigkeit des Bodens. Letzteres bestimmt darüber, welche Gründungsmethode für die Brücken verwendet werden muss. Für diese Arbeiten muss auch ein Rückschnitt des Bewuchses entlang der ehemaligen Bahnstrecke erfolgen, da die Trasse seit der Stilllegung vielerorts stark zugewachsen ist. Der Rückschnitt wird von der DB Netz AG, in deren Eigentum sich die Strecke nach wie vor befindet, voraussichtlich im Laufe des Winters 2021/2022 durchgeführt. Im kommenden Jahr stehen unter anderem noch ein Schallschutz-Gutachten sowie das Naturschutzgutachten zur Bearbeitung an.
Ein weiteres wichtiges Projekt, welches die Reaktivierung tangiert, ist das Hochwasserschutzkonzept der Stadt Kellinghusen. Große Teile der Trasse liegen in einem Überschwemmungsgebiet. Daher sind hohe Anforderungen an den Hochwasserschutz zu erfüllen. Das Hochwasser der Stör ist für die Stadt Kellinghusen schon lange ein großes Thema. Mit Blick auf den Klimawandel und die damit häufiger auftretenden Starkwetterereignisse sowie den steigenden Meeresspiegel ist davon auszugehen, dass der Hochwasserschutz in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielt. Diesen Realitäten muss sich auch die zukünftige Bahnstrecke stellen. Aus diesem Grund findet ein enger Austausch zu dem Thema zwischen der Stadt, den planenden Ingenieu*rinnen und der NAH.SH statt.
Geplant ist der Abschluss der Entwurfsplanung zum Ende des Jahres 2022, vorausgesetzt, die Ergebnisse der Untersuchungen verursachen keine Verzögerung des Projektes. Besonders das Baugrundgutachten wie auch der Hochwasserschutz sind in dieser Hinsicht kritisch. Sie könnten weitreichende Umplanungen bestehender Arbeitsergebnisse notwendig machen.
Die ersten Züge sollen Ende 2027 auf der Strecke rollen. Neben den anstehenden Planverfahren müssen Anpassungen im Stellwerk in Wrist berücksichtigt werden, die ohnehin erfolgen müssen.
Zu den Bildern:
Bild 1: Die Weiche ist schon da; Abzweig in Wrist in Richtung Kellinghusen
Bild 2: Kartendarstellung aus dem Hochwassergutachten
Bild 3: Im Zuge der Betriebsaufnahme Netz Mitte wurde in Wrist bereits ein Abstellgleis gebaut.